Zum Welt-Tuberkulosetag am 24. März 2021 schreibt die Vizepräsidentin der Freunde des Globalen Fonds Europa hier einen Kommentar.

In den letzten Wochen habe ich mich an Oxana Rucisineanu erinnert. Ich traf diese mutige Frau aus Kischinau 2015 in Berlin. Sie sprach etwas leise, war dabei aber absolut zielstrebig und beharrlich. Sie erzählte davon, wie und warum sie multiresistente Tuberkulose überwunden hatte. Das ist eine Form der Tuberkulose, gegen die einfache Medikamente nicht mehr helfen. Oxana erzählte davon, wie sie ihren Job verlor, wie sie monatelang ihre Familie und Freunde nicht sehen konnte, weil sie in einem speziell abgeschirmten Bereich eines Krankenhauses bleiben musste. Sie klagte nicht. Sie sagte nur « Das war eine lange Zeit ». Ich war beeindruckt. Aber wenn ich ehrlich bin, kann ich mich wahrscheinlich in diesen letzten Wochen in ihre Erfahrungen besser eindenken als damals.

Viele von uns sind nicht erkrankt aber sehr viele kennen das jetzt: abgeschnitten zu sein. Freunde und geliebte Menschen nicht treffen zu können. Wir sorgen uns um das Umfeld unserer Kinder und um die Kräfte von Ärztinnen und Pflegern. Und Viele treibt auch Sorge um die wirtschaftliche Existenz. Die Covid-Pandemie ist das Problem unserer Zeit. Sie überlagert deshalb viele, viele andere unserer Probleme im Inland und auch global. Sie überlagert auch die Tuberkulose, an die wir uns am Welt-Tuberkulosetag erinnern. Dabei gibt es mehrere Parallelen: Viele TB-Infizierten kennen ihren Status gar nicht, weil entsprechende Teststrategien nicht greifen. Die Behandlung ist schwer. 1,4 Millionen Menschen starben im Jahr 2019 an Tuberkulose. Der Unterschied: Zur Erforschung möglicher Gegenmaßnahmen investierte die Welt in einem Jahr etwa 900 Millionen US-Dollar [1]. In die Erforschung gegen Covid-19 wurden seit letztem Jahr über 12 Milliarden US-Dollar investiert [2].

Wahrscheinlich wird Covid-19 auch zu mehr Tuberkulosetoten führen. Denn Gesundheitssysteme auf der ganzen Welt werden von der einen Pandemie in ihrer Widerstandsfähigkeit gegen die andere Pandemie geschwächt. Und Tuberkulose war – vor Ausbruch von Covid-19 – bereits die tödlichste Infektionskrankheit der Welt – noch vor HIV/Aids.

Gibt es auch eine gute Nachricht? Vielleicht. Zur Bekämpfung der Tuberkulose gründeten die G7 vor gut 20 Jahren den Globalen Fonds gegen Aids, Tuberkulose und Malaria. Was dieser Mechanismus geleistet hat, um durch gepoolte Kaufkraft die Produktion von Medikamenten und Tests anzuregen und Kosten zu senken, hat uns jetzt geholfen, einen globalen Mechanismus auch für die globale Bekämpfung von Covid zu entwerfen. Anlass war damals eine globale Notlage – so wie heute. Eine Notlage setzte damals enorme Kräfte frei – so wie heute. Es ist eine phantastische Leistung, dass wir in gut einem Jahr nach Entdeckung des Sars-CoV-2 bereits wirksame Impfstoffe verabreichen. Es wäre wunderbar, wenn sich diese Energie auch in den Kampf gegen Tuberkulose verlängern ließe. Der einzige zugelassene Impfstoff gegen diese Krankheit feiert bald seinen 100. Geburtstag.

Wir alle haben nun diese eine, gemeinsame Erfahrung, die Menschen wie Oxana Rucisineanu den meisten von uns voraus hatte: Infektionskrankheiten tragen das Risiko in sich, unsere Lebensqualität, unsere Kultur, unser Zusammenleben und unsere Wirtschaft zum Wanken zu bringen. Wir alle haben nun selbst erlebt, dass der Schutz der verwundbarsten Menschen in aller Welt – nicht nur bei uns – der beste Schutz für uns alle ist. Diese Erkenntnis kann zu einem wirklich weltweiten Ernst in der Bekämpfung von beidem — Covid-19 und Tuberkulose – führen. Eine gute Nachricht ist das noch nicht. Aber es kann eine werden.

Heidemarie Wieczorek-Zeul war Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und ist Vizepräsidentin der Freunde des Globalen Fonds Europa sowie Mitglied des Rates für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung.


[1] Tuberculosis Research Funding Trends, 2005–2019 : Read the report
[2] Funding the response to COVID-19 : See the Graph